VOR 30 JAHREN – EINE ALPINE SKI-WM DER SUPERLATIVE 

Die 29. Alpine FIS Ski-Weltmeisterschaft 1987 bescherte der Schweiz Erfolg wie nie zuvor und danach. Die von Erika Hess, Vreni Schneider und Maria Walliser sowie Peter Müller und Pirmin Zurbriggen angeführten heimischen Stars holten in Crans-Montana 14 Medaillen. Acht Mal ertönte bei der Siegzeremonie die Schweizer Hymne; dazu gab es vier Silberne und zwei Bronzene zu feiern! - Siehe Fotos-Gallerie am Ende des Textes

„Die Weltmeisterschaft 87 hat den Beweis erbracht, dass wir den guten Weg für die Organisation dieser Titelkämpfe gefunden haben. Wir haben einen guten Verein gegründet, eine effiziente Verwaltung aufgestellt und hatten Glück mit dem Wetter. Wir sind sehr zufrieden mit dem Resultat.“ So leitete Guy Praplan, der damals 47-jährige Generalsekretär der 29. Alpinen Ski-Weltmeisterschaft, am Schlusstag der FIS-Titelkämpfe 87 eine Bilanz mit dem Autor ein.  

Heute, 30 Jahre danach, klingt Rechtsanwalt und Notar Praplan ganz ähnlich, immer noch begeistert. Er schwärmt: „Wenn das Stichwort Crans-Montana fällt, so bedeutet das für mich in einem Zug die Station Crans-Montana und die Alpine Ski-Weltmeisterschaft 1987 vereint im gleichen Logo. Die stärkste WM-Erinnerung ist die gewaltige Emotion, die mich urplötzlich übermannte, als ich die Menschenmenge sah, die zur Eröffnungszeremonie strömte. Wir waren endlich am ersten Ziel  – und das erst noch bei grandioser Stimmung.“ Doch nicht nur der spektakuläre Auftakt gelang, die Grossveranstaltung als Gesamtwerk sind dem Maître vom Walliser Hochplateau als höchst positives Erlebnis im Kopf geblieben. „Ein Traum wurde Wirklichkeit. Die WM wickelte sich so ab wie wir das gewollt hatten, sportlich, festlich und sonnenbeschienen.“ 

Harte Gegner aus dem grünen Lager

Allzeit reines Honiglecken waren die WM freilich auch im Rückblick des damaligen Generalsekretärs nicht. Zur veritablen Mammutaufgabe geriet die Bereitstellung der WM-Pisten. Der Grund: Es mussten viele Bäume gefällt werden. Und da gab es eine bedeutende Gegnerschaft, obwohl die fünf Hektaren Wald andernorts aufgeforstet wurden. WWF, Greenpeace, Naturschutzbund setzten sich bis zum Schluss heftig gegen die Rodungen zur Wehr. Advokat Guy Praplan musste mit dem Dossier bis vor Bundesgericht, sagt, „die Hälfte meiner Zeit war ich mit dem Kampf gegen die ökologischen Gruppierungen absorbiert“. Erst am 19. März 1986, zehn Monate vor der WM-Eröffnung nur, war ein ewig scheinender Albtraum vorbei, stand Praplan als Sieger fest und konnte aufatmen. „Ich wage heute noch nicht daran zu denken, was passiert wäre, wenn wir vor Bundesgericht nicht gewonnen hätten.“

Die Organisation der WM vom 27. Januar bis 8. Februar 1987 verschlang rund 17 Millionen Franken, in etwa das Doppelte, was 13 Jahre zuvor in St. Moritz 74 die letzte alpine Ski-WM auf Schweizer Boden gekostet hatte. Mehr als das Fünffache, 100 Millionen Franken, wurden auf dem Terrain der Gemeinden des Walliser Hochplateaus, Icogne, Lens, Chermignon, Montana, Randogne und Mollens, wegen der Grossveranstaltung am Fuss von Plaine Morte, Cry d’Er und Bella Lui in die Infrastruktur investiert. Mit dem Geld wurden die touristischen Anlagen auf ein zeitgemässes Niveau gehoben. Vor allem Hotels und Bergbahnen wurden ersetzt oder modernisiert, dazu das Kongresszentrum Le Régent erstellt. Für die Abwicklung waren 1700 Funktionäre nötig. Viel Logistik erforderten auch die 600 Athleten, 400 Journalisten und 270 Fotografen. Das OK mit dem Exekutivkomitee mit Jean-Pierre Clivaz (Präsident, † 1994), Hubert Bonvin (1. Vizepräsident), Bouby Rombaldi (2. Vizepräsident, † 2016),  Edouard Rey († 2001), Vital Renggli († 2006), Gérard Bonvin und Generalsekretär Guy Praplan gute Gesamtnoten für Aufbau und Abwicklung. Crans-Montana 1987 schnitt besser ab als die Vorgänger Bormio und Schladming/Haus. Ein bis zum Schluss anhaltendes Ärgernis blieb das tägliche Verkehrschaos. Einige Kritik musste sich der Veranstalter auch wegen der Geldpolitik gefallen lassen. Gesalzene Preise verdarben im Kurort die Freude.

Fernziel WM 2025

Und weils damals so schön war, hat sich 2008 eine neue Generation aufgemacht, mit Fernziel WM 2025 im alpinen Skirennsport wieder Fuss zu fassen. Die treibende Kraft Marius Robyr hat gewichtige Persönlichkeiten als Mitstreiter um sich geschart. Die erste Etappe ist bewältigt. Crans-Montana gehört seit 2016 alljährlich zum Weltcup-Kalender, wird wie angestrebt zu einer Ski-Classique der Frauen. Guy Praplan unterstützt die Bestrebungen, rät aber auch zu Bescheidenheit und Geduld: „Man muss demütig bleiben, mit Rückschlägen umgehen lernen und sich total hingeben. Man gewinnt selten beim ersten Anlauf, muss Ausdauer beweisen.“ 

Das Ausland im Hintertreffen

Sportlich betrachtet ist Crans-Montana bestimmt WM-tauglich. Schon 1987 gabs an den Pisten nichts auszusetzen. Die Strecken erwiesen sich als technisch anspruchsvoll. Inzwischen sind die ins gleiche Zielstadion führenden „Nationale“ und „Mont Lachaux“dank den Gemeinden, Bergbahnen und der Stiftung Casino markant renoviert worden. Geringe Programmumstellungen störten in der ersten Woche wenig. Sonst strahlte meist die Sonne aus tiefblauem Himmel. Wie das Wetter trugen zum stimmungsvollen Skifest die Erfolge des Schweizer Aufgebots bei. Zu WM-Superstars schwangen sich die Weltcupleader Maria Walliser und Pirmin Zurbriggen auf. Der anhaltende einheimische Höhenflug mit Triumphen in sieben der ersten acht Prüfungen hatten allerdings auch ihre Kehrseite. Im Ausland sank das Interesse. Als Nachteil empfand Generalsekretär Guy Praplan dies freilich nicht. Er sah es anders: „Das ist kein Nachteil für die Werbung, wie oft gesagt. Wir sind in der Schweiz und die grösste Zahl unserer geschätzten Gäste kommt aus der Schweiz. Crans-Montana wird dank den grossen Schweizer Erfolgen in der Historie der Ski-WM für immer etwas Besonderes bleiben.“ 

Drei Doppel-Weltmeister, achtmal Gold

In der Tat, es blieb bis jetzt einmalig, was die einheimische WM-Delegation 1987 ablieferte. Die Schweizerinnen und Schweizer fuhren förmlich in einen Rausch und sicherten sich 14 der 30 Medaillen. Erika Hess, Maria Walliser und Pirmin Zurbriggen durften sich als Doppel-Weltmeister feiern lassen; ebenfalls Titel holten Peter Müller und Vreni Schneider. 

Den Impuls zur Erfolgswelle gab Erika Hess. Man schrieb den 30. Januar, als die Innerschweizerin in der Kombination vor Sylvia Eder (Ö) und der Tamara McKinney (USA) Gold holte. Den Sieg sicherte sich die knapp 25-Jährige dank einer beherzten Abfahrt (Dritte hinter Michela Figini und Eder), nachdem sie am Vortag im Slalom 0,99 Sekunden hinter der zweimal Laufbestzeit erzielenden McKinney und Vreni Schneider ebenfalls Dritte geworden war. Acht Tage danach liess sich Erika Hess nochmals als Siegerin feiern. Mit einem fabelhaften zweiten Lauf verwandelte sie 1,33 Sekunden Rückstand in 0,25 Sekunden Vorsprung auf Roswitha Steiner. Die märchenhafte Biografie der Bergbauerntochter erhielt ein letztes glanzvolles Kapitel. 

Schon vor Hess’ Schlussfeuerwerk hatte sich Maria Walliser zum weiblichen Topstar aufgeschwungen. Die 23-jährige Toggenburgerin holte innert fünf Tagen drei Medaillen. Am 1. Februar wurde sie vor Dauerrivalin Michela Figini und Regine Mösenlechner(D) Abfahrtsweltmeisterin. Zwei Tage danach doppelte sie im Super-G wiederum vor Figini und Mateja Svet (Jug) nach. Am 5. Februar strebte die Weltcupführende nach dem Hattrick, doch daraus wurde nach grobem Schnitzer im ersten Durchgang immerhin Bronze.

Auch bei den Männern stieg ein Schweizer zur überragenden WM-Figur auf: Pirmin Zurbriggen. Der Lokalmatador mit den grandiosen Allroundfähigkeiten, dem in der Abfahrt Teamkollege Peter Müller und in der Kombination Marc Girardelli vor der Sonne gestanden hatten, feierte am 2. Februar im Super-G, einer WM-Premiere, sein erstes heimisches Gold (vor Girardelli und Markus Wasmeier). Zwei Tage später beschenkte er sich an seinem 24. Geburtstag erneut mit dem Titel, knapp vor Girardelli und Alberto Tomba. 

Einen Tag nach Erika Hess’ Initialzündung kams absoluten Stimmungshoch der „Championnats“. Über 25‘000 euphorisierte Zuschauer feierten, obwohl Zurbriggen dem Zürcher Peter Müller den Vortritt hatte lassen müssen. Der 29-jährige Adliswiler führte das sensationelle Team von Cheftrainer Karl Frehsner an, das alle fünf Starter unter die ersten Sechs brachte, mit Karl Alpiger auf dem Bronzeplatz sowie Franz Heinzer (4.) und Daniel Mahrer (6.) neben den Medaillen. 

Bleibt als letzte Goldmedaillengewinnerin der Traumequipe von Chef Jean-Pierre Fournier Vreni Schneider. Die 22-jährige Elmerin triumphierte im Riesenslalom 0,56 Sekunden vor Svet und 2,29 vor Walliser, nachdem ihre Rechnung in der Kombination nicht aufgegangen war. 

13 Jahre nach der Schweizer Schmach von St. Moritz (nur Bronze am letzten Tag durch Lise-Marie Morerod) überliessen die Schweizer dem Ausland also nur die Titel von Marc Girardelli in der Kombination und Frank Wörndl (D) am Schlusstag im Slalom. Dass es im heimischen Team trotzdem einige Enttäuschte gab, verkam zur Randnotiz. Die Namen wie Martin Hangl, Brigitte Oertli, Michela Figini (trotz zweimal Silber), Corinne Schmidhauser und Franz Heinzer (zum drittenmal WM-Vierter) umfassende Liste der Pechvögel führte Joel Gaspoz an, der im Riesenslalom überlegen auf Goldkurs unterwegs war, ehe er wenige Meter vor dem Ziel stürzte – und Zurbriggen den Weg freimachte. 

Originaltext verfasst durch Beat Caspar. Fransösische Übersetzung durch Grégoire Silacci.

DEPREZphoto SA, Crans-Montana